Green Transformation braucht klare Orientierung – Stahlbedarfsprognose 2030

Die 2020er Jahre werden wegweisend für die Stahlbranche in Europa und sogar weltweit sein. Die Branche befindet sich am Anfang eines Technologiewechsels, der notwendig und politisch gefordert ist, um den CO2-Fußabdruck der energieintensiven Stahlindustrie zu reduzieren. Für diese Transformation zu grünem Stahl sind hohe Investitionen erforderlich, die zwingend in diesem Jahrzehnt gestartet und auch schon umgesetzt werden müssen. Dafür muss die Dimensionierung der neuen Anlagen bereits heute festgelegt werden, sodass die Abschätzung des zukünftigen Stahlbedarfs eine wichtige Entscheidungsgröße darstellt.

Um die zukünftige Marktgröße für die Stahlindustrie einzuschätzen, hat Bronk & Company statistische Modelle zur Prognose des Stahlbedarfs weltweit, sowie in ausgewählten Regionen, entwickelt. Um eine Entscheidungshilfe innerhalb des mittel- bis langfristigen Zeitraums der Green-Steel-Transformation zu liefern, wurde der Prognosehorizont bis zum Jahr 2030 gesetzt.

Basierend auf den vergangenen Entwicklungen wurden Trends und Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Faktoren statistisch erfasst und zur Prognose der zukünftigen Entwicklungen (2022 ff.) verwendet. Dazu wurde auf spezielle Methoden der Zeitreihenanalyse, insbesondere ARDL-Modelle, zurückgegriffen, die mit ausgewählten exogenen Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung, BIP, Inflationsraten und die Entwicklung von Gas- und Ölpreisen angereichert wurden.

Einfluss der Krisen seit 2020 in Prognosemodellen

Seit dem Jahr 2020 befindet sich die Weltwirtschaft nahezu dauerhaft im Krisenmodus. Nach der Coronakrise im Jahr 2020 folgte wenig später Anfang 2022 der Ukrainekrieg. Da diese Ereignisse einmalige exogene Schocks darstellen und sich diese folgerichtig nicht vorhersagen lassen, sind die Ergebnisse der statischen Modelle möglicherweise verzerrt.

So haben sich die Folgen der jüngsten Krise zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Studie noch nicht in allen relevanten Datenreihen niedergeschlagen und sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch nicht vollständig absehbar. Auch die zukünftige Entwicklung des globalen Wettbewerbsumfelds der europäischen Stahlerzeuger und möglicher CO2-Einfuhrsteuern (z.B. CBAM) sind unbekannte Einflussgröße auf die Prognose. Dieser Limitation bewusst, kann das Prognosemodell trotzdem wesentliche Impulse bei der Aufstellung der Supply Chain im Zusammenhang mit der Green-Transformation liefern.

Weltweite Stahlprognose 2030

Zur Ermittlung des globalen Stahlbedarfs wurde die Welt in Regionen eingeteilt, um regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Für jede Region wurden individuelle Einflussfaktoren ermittelt und zu einem regionalen Prognosemodell zusammengeführt. Die Aggregation dieser regionalen Modelle liefert das globale Prognosemodell und erlaubt darüber hinaus eine detaillierte Analyse der Treiber der globalen Nachfrage auf regionaler Ebene.

Das Modell prognostiziert einen Anstieg des globalen Stahlbedarfs von ca. 1,8 Milliarden Tonnen 2020 auf ca. 2,0 Milliarden Tonnen 2030 (siehe Abbildung 1). Dies entspricht einer mittleren jährlichen Wachstumsrate von ca. 1,06% bzw. 11% absolut gegenüber dem Jahr 2020. Dieses Wachstum wird vor allem von der zunehmenden Industrialisierung in den Entwicklungsländern wie Indien und Regionen in Afrika getrieben. China wird den Status als weltgrößter Stahlproduzent und –verbraucher weiterhin halten, jedoch wird dort eine Stagnation bis hin zu einer leichten Abnahme des Stahlbedarfs prognostiziert. Auch die westlichen Länder tragen zu der Zunahme des globalen Bedarfes bei.

Für die europäische Stahlindustrie stellen die Regionen Westeuropa, Osteuropa und Nordamerika die wesentlichen Abnehmerländer dar. Diese Regionen nehmen zusammen mehr als 95% des in der EU produzierten Stahls ab. Um die Entwicklung des Stahlbedarfs für die europäische Stahlindustrie genauer zu quantifizieren und zu analysieren, werden im Folgenden die regionalen Modelle für West- (EU-West) und Osteuropa (EU-Ost) sowie Nordamerika (NA) vorgestellt.

Prognose Stahlbedarf 2030 für West-, Osteuropa sowie Nordamerika

Unsere Modelle prognostizieren einen Anstieg des Stahlbedarfs in den Hauptabsatzmärkten für den europäischen Stahl auf ca. 395 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Was im Vergleich zu 312 Millionen Tonnen im Jahr 2020 einem Wachstum von etwa 27% entspricht (siehe Abbildung 2).

Im Vergleich zum weltweiten Wachstum von 11% fällt dies deutlich höher aus, was darauf zurückzuführen ist, dass es in Westeuropa und Nordamerika zu einem deutlich stärkeren Einbruch der Stahlnachfrage infolge der Corona-Pandemie kam als im weltweiten Vergleich (siehe Abbildungen 1 und 3). Gegenüber 2021 entspricht dieses nur noch einem Wachstum von 11%, da sich der Bedarf im Jahr 2021 bereits von der Corona-Krise erholt hatte.

Die Nachfrage in Westeuropa wird gemäß der Prognose von heute bis zum Ende des Jahrzehnts nahezu auf konstantem Niveau stagnieren. Für Nordamerika hingegen wird eine moderate, aber stetige Aufwärtsbewegung prognostiziert. Auch für Osteuropa sehen die Prognosemodelle einen nahezu ungebrochenen Aufwärtstrend, so dass der Stahlbedarf voraussichtlich in dieser Region bis 2030 die 100 Millionen Tonnen überschreitet.

Fazit

Das aufgebaute Prognosemodell zeigt ein moderates Wachstum für die relevanten Absatzmärkte bis 2030 für den in der EU produzierten Stahl. Es zeigt aber auch, dass der globale Stahlbedarf im aktuellen Jahrzehnt enorm steigen wird (+11% oder 2 Mrd. Tonnen). Für die europäische Stahlindustrie bedeutet dies, dass neben den bestehenden Märkten durchaus Potenzial für zusätzliche Absatzmengen besteht. Zwar ist die europäische Industrie durch die enormen Kosten im Zusammenhang mit der Green-Transformation in den nächsten Jahren kaum wettbewerbsfähig auf dem internationalen Parkett ohne entsprechende wettbewerbsausgleichende politische Regelungen, aber durch die hierdurch erzielte Vorreiterstellung können in den heutigen Aktivitäten durchaus Potenziale für morgen schlummern.

Mit Blick auf die in den Startlöchern stehende Green-Transformation bedeutet dies nach gegenwärtigem Kenntnisstand, dass sich die zukünftige „grünen“ Anlagen mindestens am heutigen Produktionsvolumen orientieren sollten. Wobei auch eine Flexibilitätsreserve für eine mögliche Kapazitätserweiterung zur Befriedigung zusätzlicher Bedarfe Berücksichtigung finden sollten.

Für weitere Informationen zu den Implikationen der Green-Transformation auf Ihre Supply Chain, unserem Leistungsangebot zur Unterstützung von Transformationsprozessen, oder weiteren Möglichkeiten zur datengetriebenen Performanceanalyse kontaktieren Sie uns gerne unter info@bronk-company.com.

Ihre Ansprechpartner:

Dr. Pascal Lutter,
Manager